Spendenaufruf des anarchistischen Schwarzen Kreuzes Jena
Kanha Chhun, eine Oppositionelle aus Kambodscha und Flüchtlingsaktivistin in Erfurt, und ihre Familie sind von Abschiebung bedroht. Ihr erster Antrag auf Aysl wurde abgelehnt, der Staat hat bereits zweimal versucht, sie abzuschieben. Ihre Klage gegen die Ablehnung des Asylantrags wird vorm Gericht in Meinigen verhandelt. Das Bundesamt für Migration und Flucht (BAMF) jedoch hat bereits eine Einstellung der Klage gefordert. Chhun und ihre Unterstützer_innen aus Erfurt brauchen derzeit finanzielle Unterstützung zur Deckung der Anwaltskosten. Mit folgendem Text rufen wir zu einer Spendensammlung auf!
Opposition und Verfolgung in Kambodscha
Kanha Chhun war in Kambodscha Mitglied der Oppositionspartei CNRP. Die Kambodschanische Partei zur Rettung der Nation (CNRP) wurde 2012 als demokratische und antidiktatoriale Oppositionspartei gegründet. Von Beginn an wurde ihre Tätigkeit vom kambodschanischen Regime unterdrückt. Kanha Chhun selbst sollte Ende 2014 aufgrund ihrer politischen Betätigung verhaftet werden. Seit ihrer Flucht aus Kambodscha wurde die oppositionelle CNRP aufgelöst. Im September 2017 wurde ihr Vorsitzender Kem Sokha verhaftet und im November 2017 wurde die Partei verboten. So wurden ihre Vertreter_innen aus den parlamentarischen Strukturen gesäubert und so kann die herrschende Kambodschanische Volkspartei (CPP) in den kommenden Wahlen ohne Gegnerin antreten.
Im Rahmen ihres Engagements für die CNRP protestierte Kanha Chhun u.a. gegen den Landraub durch Hun Seng Ngy, der Schwester des kambodschanischen Präsidenten.
Kambodscha ist ein autoritäres Regime. Es wird seit 1979 ununterbrochen von der CPP, der Kambodschanischen Volkspartei, angeführt, die in Kontinuität zum menschenverachtenden kommunistischen Regime der Roten Khmer unter Pol Pot (1975-1979) steht. Der heutige Präsident, Hun Sen, war erst Aktivist der Roten Khmer, floh dann 1977 mit seiner Einheit nach Vietnam, um 1979 mit der vietnamesischen Armee in Kamboscha einzumarschieren und im Apparat der neugegründeten Volksrepublik Kambodscha aufzusteigen. Seit 1985 ist er der de-facto Machthaber in Kambodscha.
Derzeit scheint der Staat die letzten Überbleibsel demokratischer Fassade zu beseitigen. Die wichtigste Oppositionspartei CNRP wurde verboten, ihr Vorsitzender inaftiert. Im August 2017 wurden 19 kritische Radiosender, darunter Voice of America, Radio Free Asia und Voice of Democracy, und Anfang September 2017 die Zeitung Cambodia Daily verboten bzw. dichtgemacht. In den letzten Jahren wurden außerdem mehrere Personen aus politischen Gründen ermordet: 2004 der Gewerkschafters Chea Vichea, 2012 der Umeltschützer Chut Wutty und 2016 der Regimekritiker Khem Ley.
Widerstand und Selbstbehauptung in Deutschland
Seitdem sie in Deutschland ist, bringt sich Chhun in die selbstorganisierte Bewegung der Migrant_innen und Flüchtlinge ein. Sie kämpft für sich und alle anderen Migrant_innen in Deutschland für Würde und Selbstbestimmung und wehrt sich gegen den staatlichen und gesellschaftlichen Rassismus. So engagiert sie sich bei der langjährigen radikalen migrantischen Selbstorganisation The VOICE Refugee Forum und in den Protesten der oppositionellen kambodschanischen Diaspora gegen das Regime in Kambodscha. Zuletzt fanden im September und Dezember 2017 Berlin, u.a. vor der kambodschanischen Botschaft, Kundgebungen gegen die dortigen Zustände statt.
Chhun hat für sich und ihre Kinder Antrag auf Asyl gestellt. Der Asylantrag wurde vom BAMF-Entscheider Ho Ngoc T. abgelehnt. Herr T. sympathisiert offensichtlich mit der vietnamesischen Regierung, die ihrerseits das aktuelle Regime in Kambodscha stützt, und steht laut bundesweiter Presse sogar im Verdacht, an der Entführung eines vietnamesischen Geschäftsmanns durch den vietnamesischen Geheimdienst aus Deutschland nach Vietnam beteiligt gewesen zu sein. Inzwischen ist Herr T. vom BAMF aus dem Dienst entlassen. Bis es dazu kam, hat er jedoch die Asylanträge kambodschanischer Oppositioneller wie den von Chhun negativ beschieden.1
Aus diesem Grund hat Chhun Klage gegen das BAMF eingereicht. Seitdem hat das BAMF sich gegenüber dem Gericht in Meinigen geäußert und eine Einstellung der Klage gefordert. Dagegen wiederum hat Chhun am 30. November 2017 mit einem offenen Brief protestiert.2
Unterstützen wir Chhun, ihre Familie und Unterstützer_innen!
Es gibt verschiedene Wege diesen Kampf zu unterstützen:
(1) Am 11. Januar findet in Erfurt eine Informationsveranstaltung von Kanha Chhun und The VOICE zur Situation in Kambodscha statt: 20 Uhr im Retronom.3
(2) Die Anwaltskosten für Chhuns Klage gegen das BAMF sind derzeit nicht gedeckt. Wir wollen hierzu Spenden sammeln. Ihr könnt uns das Geld in bar geben oder an folgendes Konto überweisen:
Schwarzkreuz Jena
IBAN: DE58 8306 5408 0004 9960 54
BIC: GENO DEF1 SLR
Betreff: Spende Chhun
(3) The VOICE organisiert Proteste für die Selbstbestimmung von Migrant_innen und Flüchtlingen und informiert regelmäßig über die exilkambodschanischen Oppositionsproteste in Berlin. Diese Proteste können und sollten von uns unterstützt werden. Ihr könnt euch auf deren Seite informieren: www.thevoiceforum.org
Als Anarchist_innen stehen wir Parteien und staatlich-demokratischen Projekten grundsätzlich skeptisch gegenüber. Allerdings glauben wir, dass unter Bedingungen einer Diktatur punktuelle Zusammenarbeit mit liberalen und demokratischen Kräften durchaus zu erwägen ist. Außerdem kennen wir Kanha Chhun hier in Thüringen eben nicht als Parteiaktivistin, sondern gerade aus den selbstorganisierten Kämpfen.
ABC Jena
Januar 2018