Im Kontext des Konflikts zwischen Griechenland und Makedonien haben Nationalist_innen, Rechte, Faschist_innen und Kirche eine Massendemonstration in Thessaloniki organisiert. 90.000 Menschen sind dem Aufruf gefolgt. Am Rande der Massendemonstration haben Faschisten geschützt von Bullen mehrere besetzte Häuser angegriffen und letzten Endes das antiautoritäre besetzte Haus Libtertatia vollkommen niedergebrannt. Solidarität mit Libertatia!
Der Streit um den Namen Makedonien
Die griechische Nordgrenze wurde durch die Verdrängung des Osmanischen Reichs aus dem Balkan in den Balkankriegen von 1912 und 1913 und im ersten Weltkrieg von 1914-1918 bestimmt. Die historische Region Makedonien wurde dabei zwischen Jugoslawien und Griechenland aufgeteilt, Griechenland konnte weit nach Norden expandieren und sich Gebiete mit slawischsprachiger Bevölkerung einverleiben. Nach dem zweiten Weltkrieg wurde innerhalb Jugoslawiens die Republik Makedonien gegründet. Während des Zusammenbruchs Jugoslawiens wurde Makedonien 1991 unabhängig. Zu dem Zeitpunkt eskalierte der Konflikt um die Staatsbezeichnung. Griechenland gesteht der Nachbarrepublik den Namen Makedonien nicht zu, da dieser angeblich einen Anspruch auf die griechisch-makedonischen Gebiete bedeute. Zu dem Zeitpunkt wurde der Namenskonflikt für die größte nationalistische Straßenmobilisierung in der Geschichte Griechenlands genutzt. Am 14. Februar 1992 gingen in Thessaloniki eine Million Menschen gegen die Bezeichnung der Nachbarrepublik als Makedonien auf die Straße – das bei einer Gesamtbevölkerung Griechenlands von etwas über 10 Millionen! Die Kompromisslösung, die sich damals ergab, war die Bezeichnung „The Former Yugoslav Republic of Macedonia“ (F.Y.R.O.M), mit welcher Makedonien 1993 in die UNO aufgenommen wurde.
Anfang Januar 2018 gaben die makedonische und griechische Regierung bekannt, dass sie die Namensfrage neu verhandeln wollen und im selben Jahr noch eine Lösung finden wollen. Das wurde von der Rechten zum Anlass genommen, für den 21. Januar in Thessaloniki zu einer Demo zu mobilisieren.
Antinationale Aktionen
Auf diese nationalistische Großveranstaltung reagierte die anarchistische und antiautoritäre Bewegung in Thessaloniki mit dem massenhaften Verkleben antinationaler Plakate, einer Kundgebung und einer Mopeddemo an den Vortagen sowie einer Gegenkundgebung an der Kamara am besagten Tag.
Die nationalistische Großdemo
Aus allen Landesteilen kamen Demonstrant_innen angereist. Die Polizei geht von knapp 90.000 Teilnehmer_innen und 284 Reisebussen aus, die Organisator_innen von 500.000 Teilnehmer_innen und 500 Reisebussen. Sie trugen griechische Nationalfahnen oder die makedonische Fahne mit der Sonne von Vergina, die von Makedonien als Nationalfahne benutzt und von griechischen Nationalist_innen als griechisches Symbol beansprucht wird. Mehrfach wurde die griechische Nationalhymne gesungen. An der Demo nahmen Politiker_innen der konservativen Nea Dimokratia (ND), der rechtspopulistischen Unabhängigen Griechen (ANEL), Würdenträger der griechisch-orthodoxen Kirche, darunter der Mitropolit Anthimos, Militärs und zahlreiche Faschisten teil. Die Reden enthielten aggressive nationalistische Botschaften an die Regierung Makedonien.(1)
Faschistische Angriffe
Am Rande und unter dem Schutz der Demo unternahmen Faschisten mehrere Angriffe. Das Holocaust-Denkmal von Thessaloniki wurde mit dem Namen der faschistischen Partei Griechenlands „Goldene Morgenröte“ beschmiert. Gegen 15 Uhr versuchten ca. 50 vermummte Faschisten durch die Polizeiketten hin zur antinationalen Gegenkundgebung durchzubrechen und wurden mit Tränengas gestoppt. Es gab schon vor der Demo einen Angriff auf das besetzte Haus Libertatia, der abgewehrt wurde. Während der Demo gab es einen Angriff auf das besetzte Haus Scholeio, der ebenfalls abgewehrt wurde. Daraufhin wurde die Libertatia noch einmal angegriffen. Da die Besetzer_innen zu dem Zeitpunkt bei der antinationalen Kundgebung waren und das Haus damit leer war, konnten die 60-70 Faschisten in das Haus eindringen und es vollkommen abfackeln. All diese Angriffe geschahen vor den Augen und unter dem Schutz der Riot-Bullen. Die Angriffe konnten, wie auch die Gruppe aus der Libertatia in ihrer Stellungnahme nach dem Angriff feststellte(2), nur im Rahmen und unter dem Schutz der nationalistischen Massendemo und der Bullen stattfinden, was wieder einmal zeigt, wie gefährlich es werden kann, wenn nationalistische Bewegungen sich die Straßen nehmen.
Ein paar Worte zum besetzten Haus Libertatia: Das Haus wurde während des Aufstands vom Dezember 2008 besetzt. Die politische Orientierung der letzten Jahre war anarchokommunistisch, ein politischer Fokus lag auf dem Projekt der Arbeiterselbstverwaltung und der Kooperativen sowie auf Antifa. Die Gruppe bringt die Zeitschrift Nowa Kultura heraus. In den letzten Monaten hat es schon mehere erfolglose Angriffe mit Brandsätzen gegen die Libertatia gegeben.
Solidarität mit der Libertatia
Unmittelbar nach dem Angriff solidarisierten sich per Textveröffentlichungen anarchistische und auch linke Gruppen aus mehreren griechischen Städten mit der Libertatia. Auch die besetzte VIO.ME-Fabrik machte ein klares antifaschistisches Statement. In einigen Städten wurden schon Graffitis gesprüht, Transparente aufgehangen, Büros der Goldenen Morgenröte mit Farbbomben angegriffen und außerplanmäßige Treffen einberufen. Heute, am Tag nach dem Angriff, soll von der niedergebrannten Libertatia eine Solidaritätsdemo starten. Angesichts dessen, dass es einen Angriff dieser Art in den letzten Jahren so nicht gegeben hat, ist zu erwarten, dass es in den nächsten Wochen zu Vergeltungsmaßnahmen kommt.
Fußnoten
(1)Ausführliche Berichte auf Griechisch und zahlreiche Bilder von der nationalistischen Demo findet man in folgenden teils tendenziösen Artikeln http://www.iefimerida.gr/news/390717/ola-osa-eginan-sto-syllalitirio-sti-thessaloniki-gia-skopiano-eikones-vinteo http://www.ert.gr/eidiseis/ellada/politiki/megalo-syllalitirio-gia-tin-ellinikotita-tis-makedonias/
(2) https://athens.indymedia.org/post/1582811/