Balkanweit mobilisierte Antifa-Demo gegen den faschistischen Lukoff-Marsch 2018 in Sofia

Am 16. Februar 2018 fand der jährliche faschistische Fackelmarsch in Gedenken an General Lukoff in der bulgarischen Hauptstadt Sofia statt. Während in Deutschland zumeist Artikel über die Beteiligung deutscher Neonazis am Fackelmarsch erscheinen, wollen wir davon berichten, wie Anarchist_innen verschiedener Balkanländer seit einigen Jahren gemeinsam in Sofia gegen den Lukoffmarsch und die zunehmend autoritäre gesellschaftliche Entwicklung protestieren.

Wer war General Lukoff?

Christo Lukoff war ein bulgarischer Militär und später faschistischer Politiker. Während der Balkankriege und während des Ersten Weltkriegs diente er in der bulgarischen Armee. Von 1935 bis 1938 war er Kriegsminister, organisierte die Aufrüstung der bulgarischen Armee und bereitete damit den Zweiten Weltkrieg mit vor. Ab 1939 war er der Führer des „Bundes der Bulgarischen Nationalen Legionen“ (SBNL), eines faschistischen Verbands, der sich für die – letzten Endes verhinderte – Deportation und Vernichtung der Juden aus Bulgarien1 einsetzte und das Bündnis Bulgariens mit Hitlerdeutschland vorbehaltlos unterstützte.

1943 wurde er von Iwan Burudzhieff und Violeta Jakowa ermordet, zwei Mitgliedern der antifaschistischen Kampfgruppen der illegalen Bulgarischen Kommunistischen Partei (BKP).

Violeta Jakowa, die 1943 an der Hinrichtung von Lukoff durch eine antifaschistische Kampfgruppe beteiligt war.

Die Nazi-Gedenkdemo seit 2003

Seit 2003 organisiert der Bulgarische Nationale Bund (BNS) jährlich einen Fackelmarsch in Gedenken an Lukoff. Über seine Darstellung als Kriegsheld und Opfer „kommunistischer Terroristen“ und die Aussparung seines antisemitischen und faschistischen Aktivismus wird versucht, Lukoff und damit die historische faschistische Bewegung Bulgariens zu rehabilitieren. An der Demo nehmen die faschistischen Parteien teil, die 2016 das Wahlbündnis „Vereinigte Patrioten“ (OP) gebildet haben und seit 2017 Teil der Koalitionsregierung von Bojko Borissoff sind. Außerdem unterstützen auch unabhängige faschistische Gruppen wie der „Nationale Widerstand“ und rechte Fußball-Hooligans die Demo. Seit einigen Jahren laden die bulgarischen Faschisten zudem befreundete Gruppierungen aus dem Ausland ein, aus Deutschland die Neonazi-Parteien „Die RECHTE“ (v.a. Dortmund) und „Dritter Weg“ (v.a. Bayern und Sachsen) und Leute von der Identitären Bewegung (Stefanie Dittmer).

2013 erreichte die Demo mit 2000 Teilnehmer_innen ihren Höhepunkt. Seit 2014 versucht die Sofioter Bürgermeisterin Jordanka Fandukowa halbherzig, die Demo zu verbieten. Auch dieses Jahr gab es ein Verbot, das vom Gericht allerdings gekippt wurde. Trotz Verboten und Verbotsversuchen findet die Demo alllährlich ungestört statt. Vermutlich durch das Verbot ist allerdings die Teilnehmerzahl zurückgegangen. 2017 waren es nur noch 800 und dieses Jahr wohl um die 500.

Der Lukoffmarsch 2018

Dieses Jahr machten laut Selbstdarstellung 150 Faschisten am Vorabend des Lukoffmarschs eine kleine unangemeldete Demo mit Pyrotechnik durch die Innenstadt. Der Lukoffmarsch selbst fiel dann wie bereits erwähnt mit gut 500 Teilnehmer_innen kleiner aus als sonst. Wie üblich begann die Demo gegen 17:30 und zog dann in der typisch faschistischen Marschformation durch die Innenstadt zum ehemaligen Wohnhaus von Lukoff, in dem er 1943 erschossen wurde.

Laut Selbstdarstellung (Achtung: Der Link folgende geht zur Nazi-Seite „Dortmund-Echo“) reisten dieses Jahr ca. 50 Neonazis aus Deutschland von DIE RECHTE aus Dortmund, Heinsberg/Aachen und Baden-Württemberg sowie von der JN Braunschweig an. Sie hatten wie jedes Jahr ihr Transparent mit dem Slogan „Gemeinsam für Europa“ dabei.

Mehr Bilder vom diesjährigen Lukoffmarschs findet ihr hier.

Die Gegenproteste

Einige demokratische staatliche Institutionen, NGOs und jüdische Organisationen protestieren seit mehreren Jahren gegen den Lukoffmarsch. Im Vorfeld zur diesjährigen Demo gab es sogar eine Petition zum Verbot des Lukoffmarschs, die von 178.000 Personen unterzeichnet wurde.

Daneben finden seit 2010 auch Straßenproteste gegen den Lukoffmarsch statt. Sie wurden aus der anarchistischen Bewegung heraus initiiert. Die ersten zwei Jahre waren es stationäre Kundgebungen, dann Gegendemos. Seit 2015 werden die Gegendemos von der damals frisch gegründeten Gruppe „Antifa Bulgarien“ organisiert.

Die Demo ist in Deutschland u.a. durch die Infotour bekannter geworden, die 2016 von der Antifa Bulgarien in verschieden deutschen Städten durchgeführt wurde. In Dortmung hatte Die RECHTE damals eine kleine Gegenkundgebung mit 30 Leuten organisiert. Zu einer Antifa-Kundgebung und zur Veranstaltung kamen dafür über 150 Leute. Seit 2015 nehmen Anarchist_innen aus den Nachbarländern an der Antifa-Demo teil. Damit ist die Gegendemo gegen den Lukoffmarsch mit der Anarchistischen Buchmesse des Balkans, die seit 2003 regelmäßig in einem anderen Land stattfindet, eine der Gelegenheiten geworden, zu denen die Vernetzung und regionale Solidarität von Anarchist_innen im Balkan konkret wird.

Die Antifa-Demo 2018

Dieses Jahr kamen ca. 250 Leute zur Antifa-Demo, also in etwa so viele oder sogar etwas mehr als in den letzten Jahren. Die Demo lief unter dem Motto: „Без нацисти по улиците ни! Долу крепостта Европа! Keine Nazis auf unseren Straßen! Nieder mit der Festung Europa!“ Aufgerufen hatte die Antifa Bulgarien. Innerhalb der Demo wurde von der neuen Sofioter queer-anarchistischen Gruppe „Куйр отряда / Queer-Kommando“ zu einem Mini-Pride aufgerufen und so gab es einen eigenen Block mit Regenbogenfahnen, queeren Postern und Botschaften und verkleideten Leuten. Präsent war auch die „Solidarische Küche“, die seit einigen Monaten wöchentlich in selbst angemieteten Räumlichkeiten in Sofia für über 100 Obdachlose, Arme und Flüchtlinge kocht. Es kamen sowohl politische Aktivist_innen der Küche als auch Menschen, die dort essen gehen, zur Demo. Aus dem Ausland kamen Anarchist_innen aus Makedonien, Serbien, Rumänien, Ungarn sowie ein Reisebus aus Griechenland. Der Bus wurde vor allem von der Anarchistischen Politischen Organisation (APO) gestemmt, einer 2016 gegründeten Föderation anarchistischer Gruppen aus Athen, Patras und Thessaloniki. Sie hatte dazu entsprechend Info-Veranstaltungen organisiert. Es waren aber auch andere Kollektive und Gruppen aus Griechenland da.

Während der Auftaktkundgebung machte die Kochgruppe ein solidarisches Statement und verteilte vegane Kekse und Obst. Jemand vom Queer-Kommando hielt eine Rede und initiierte den Mini-Pride und es gab Wortmeldungen in Bezug auf den Rassismus gegen Flüchtlinge, Roma und die türkische Minderheit sowie die laufende öffentliche frauenfeindliche Kampagne gegen die Istanbuler Konvention. Außerdem wurde darauf hingewiesen, dass sich die Demo nicht nur gegen den Straßenfaschismus, sondern auch gegen den staatlichen Rassismus und die Festung Europa richtet.

Die Demo begann im Stadtzentrum bei der alten Moschee, führte u.a. am Sitz der bulgarischen Grenzpolizei vorbei, wo den mittlerweile 33.000 Mittelmeertoten gedacht wurde, und endete vorm Sofioter Rathaus. Während der Demo fand eine kleine Provokation deutscher Neonazis statt, die vom Rand aus gegen die Demo pöbelten.

Im Vergleich zu den letzten Jahren sind weniger NGOs und liberale Aktivist_innen zur Demo gekommen. Dafür beteiligen sich mehr radikale Aktivist_innen und Anarchist_innen daran. Einige der Slogans waren „Солидарността между хората е нашето оръжие срещу омразата! Solidarität zwischen den Menschen ist unsere Waffe gegen den Hass!“, „Не на фашизма, не на Луковмарш! Stopt den Faschismus, stopt den Lukoffmarsch!“, „Чужденци, бежанци – всички сте добре дошли! Ausländer und Flüchtlinge – alle sind herzlich willkommen!“ und „Фашизмът не е мнение, а престъпление! Faschismus ist keine Meinung, sondern ein Verbrechen!“

Mehr Bilder von der Antifa-Demo findet ihr hier.

Staatliche Befriedungsbemühungen

Vermutlich aufgrund der laufenden bulgarischen EU-Ratspräsidentschaft bemühten sich die Behörden, jegliches Demonstrationsgeschehen und Vorfälle zu unterbinden. Zuerst wurde versucht, die Antifa-Demo ganz zu verbieten. Dann wurde die gewünschte Demo-Route verändert und teils durch Nebenstraßen geleitet. Der Bus aus Griechenland wurde am Stadtrand von Sofia angehalten und erst nach Verhandlungen durchgelassen. Während des ganzen Tages gab es eine krasse Polizeikontrolle. Der griechische Bus wurde durchgehend eskortiert, Polizeieinheiten und Mannschaftswagen verfolgten Gruppen von Antifas und Anarchist_innen bis zum Abend durch die Stadt.

Nichtsdestotrotz war die Anitfa-Demo ein starkes Zeichen und Ausdruck der regionalen Solidarität von Anarchist_innen im ganzen Balkan, des radikalen queeren und feministischen Kampfes sowie eines Antifaschismus gegen Neonazis und Staatspolitik.

ABC Jena

Februar 2018

 

1Die Jüdinnen und Juden aus den von Bulgarien besetzten Gebieten Ost- und Vardarmakedonien, Westthrakien und Pirot, insgesamt über 11.000 Menschen, wurden allerdings von der bulgarischen Verwaltung nach Treblinka deportiert und dort fast vollständig vernichtet.